Rechtsstreitigkeiten um das Hang
Kategorien: News, Artikel, Geschichte Author: PANArt 15. Januar 2021
Im Jahr 1976 habe ich mit Freunden zusammen den Hammer in die Hände genommen und Spundfässer zu Steelpans umgebaut: Tenorpans, Single Seconds, Single Guitars und Single Basses. Damit gingen wir in die Strassen unserer Stadt Bern und brachten das Publikum zum Staunen.
Im Jahr 2000, also rund 20 Jahre später, versuchten wir, ein Blechgefäss mit einer neuartigen, skulpturalen Form zu verkaufen, auf dem man mit den Händen perkussive Klänge mit wahrnehmbarer Tonhöhe erzeugen konnte und das wir "Hang" nannten. Kaum jemand nahm davon Notiz.
Heute, nochmals rund 20 Jahre später, besteht eine grosse Nachfrage nach Instrumenten mit der gleichen Form wie das Hang, die aber im Wesentlichen von nicht von uns autorisierten Anbietern stammen und welche diese als "Handpans" bezeichnen.
Was war inzwischen geschehen?
Der Bau eines Steelpans beginnt traditionell damit, dass der Boden eines Spundfasses mit dem Hammer getrieben wird. Dadurch entsteht ein Plexus, ein Netzwerk von konkav eingespannten Klangfeldern. Dieser Plexus wird vom zylindrischen Mantel des Teils des Spundfasses gehalten, dem Plexushalter. Das Bearbeiten des Blechbodens setzt den gesamten Körper unter hohen Druck, der dazu dient, die Klangfelder einzuspannen. Dank diesem Druck kann der Tuner die Klangdynamik (Modulation) gestalten. Die Kunst des Einstimmens hat sich seit Entstehen der Steelbands in den 1940er Jahren stetig verändert und ist differenzierter geworden. Der belebende Sound der modernen Steelband basiert auf der Kunst, zylindrische Gefässe in einer komplexen Art und Weise zu spannen und auf diese Weise kurze Klänge mit hoher Intensität und definierter Tonhöhe herzustellen, kunstvoll eingebettet in ein Netzwerk, das hoch nichtlinear kommuniziert und den Kathedraleneffekt ermöglicht.
1994 haben wir diese Bauart von Steelpans revolutioniert, indem wir eine Stahlblechrondelle über einen Stempel in die Gestalt eines Kugelsegmentes zogen, diesen nitrierten und einen Plexushalter einfalzten.
Diese Trennung der im Steelpanbau fest verbundenen Strukturen Plexus und Plexushalter in zwei separate Formen eröffnete uns ein neues Spielfeld. Diese eigentliche Befreiung vom Spundfass bedeutete eine Herausforderung ersten Ranges. Sabina Schärer und ich begannen, traditionelle Musikinstrumente (Gong, Gamelan, Glocken, Trommeln) nachzubauen und lernten so, deren Physik zu verstehen. Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass unser neu entwickeltes und patentiertes Material durch Hämmern in einen derart hohen Spannungszustand gebracht wurde, dass Schlägel nicht mehr das adäquate Anregungswerkzeug waren. Die Klangintensität war zu stark und so geriet die Hand – im Berner Dialekt "Hang" - mit ihren vielseitigen Anregungsmöglichkeiten in den Fokus unserer Arbeit.
Der Weg zu einer auch ästhetisch befriedigenden Gestaltung, einer eigentlichen Klangskulptur, die sich für das tägliche Spiel eignet, bedurfte der Reduktion auf das Wesentliche. Unsere erste, völlig neuartige Klangskulptur (2000), die wir "Hang" nannten, weckte primär das Interesse von Hand Perkussionisten. Danach erweiterte sich der Kreis der Interessierten in alle Richtungen, doch der überwiegende Teil der Käufer waren – und sind nach wie vor - Menschen, denen der Zugang zur musikalischen Sprache bislang verwehrt geblieben war.
Die Nachfrage nach dem Hang stieg stetig an. Da wir unserer künstlerischen Arbeit treu bleiben wollten und die Massenproduktion nie in Frage kam, waren wir nicht überrascht, als 2007 ein erster Nachbau aus Deutschland auftauchte: die «Caisa» von Bill Brown war offensichtlich vom Hang inspiriert, unterschied sich aber von diesem hinsichtlich seiner Gestaltung deutlich.
Fast alle späteren Nachbauten hingegen waren offensichtliche Plagiate, die sich im Gesamteindruck vom Hang nicht unterscheiden. Unterdessen sind es unzählige Anbieter, die auf dem Trittbrett des Hang fahren, darunter Grossfirmen mit Maschinenpark, mittlere Start-ups und eine grosse Anzahl Individuen, die eben erst ins Geschäft eingestiegen sind. Grossverteiler aber auch Kleinunternehmer aus Europa, USA und Asien liefern per Onlineshop rund um die Welt. Diese Massenprodukte, für welche sich die Bezeichnung "Handpans" eingebürgert hat, überfluten zunehmend den Markt.
Zeit für uns zu handeln und die Hersteller solcher Instrumente darauf aufmerksam zu machen, dass ein Instrument, bei dem Plexus und Plexushalter getrennt sind und das man mit den Händen spielt, nicht so aussehen muss wie unser Hang.
Wie auch unsere jüngsten Klangskulpturen (Hang Gubal, Hang Bal, Hang Balu, Hang Gede, Hang Godo, Hang Gudu) beweisen, ist die linsenförmige Gestaltung nicht zwingend und gibt es einen grossen Raum für eigenständige, ihrerseits innovative Formen.
Das Einfordern unserer Urheberrechte scheint uns legitim, schützt das Urheberrecht als weltweit anerkanntes Menschenrecht doch die geistige schöpferische Leistung eines Individuums vor Sozialisierung und setzt einen Anreiz, selber kreativ zu werden.
Plagiate banalisieren unser Werk. Deshalb haben wir uns entschlossen, unser Urheberrecht zu verteidigen und sind 2020, stets erst nach unserem Versuch einer gütlichen Einigung, zunächst in Deutschland gerichtlich vorgegangen. In allen Verfahren haben die auf Urheberrecht spezialisierten Gerichte von Berlin, Düsseldorf und Hamburg, wenn auch vorerst nur vorsorglich, unser Urheberrecht bestätigt und die Plagiate verboten.
Im Herbst 2020 haben sich nun, konzertiert durch eine der weltweit grössten Rechtsanwaltskanzleien und finanziert durch Crowdfunding, zahlreiche Hersteller, Händler und Verkäufer von Handpans und deren Bestandteilen zu einer Gruppe zusammengeschlossen, die sich HCU Handpan Community United nennt. Mehrere Mitglieder dieser Gruppe haben kürzlich beim Handelsgericht des Kantons Bern (CH) gleich mehrere Klagen eingereicht, mit welchen sie unser Urheberrecht am Hang in Frage stellen.
Auch wenn ich den aussergerichtlichen Weg vorziehen würde, begrüsse ich die nun vor Gericht geführte Diskussion darüber, ob das Werk von Sabina Schärer und mir gesetzlichen Schutz gegen Nachbauten geniesst oder ob unser Werk enteignet werden darf, wie das in jüngster Vergangenheit mit Werken in sozialistischen und diktatorischen Systemen geschehen ist.
Unabhängig davon werden wir Tuner bei PANArt unbeirrt weiterhin Werke herstellen und neue schaffen, die den Menschen berühren. Oder die - wie die Trinidader sagen - keep moving your mind.